Haselmaus

Muscardinus avellanarius (Linnaeus, 1758)

Natura 2000: Anhang IV

Kenntnisstand

Die Haselmaus kommt in Europa und im nördlichen Kleinasien vor. Die Vorkommen reichen im Westen bis Frankreich und Südengland, im Norden bis Südschweden und das Baltikum, im Osten in Russland etwa bis zum 51. Breitengrad und im Süden über die Apenninenhalbinsel und den Balkan bis in die nördliche Türkei (Mitchell-Jones et al. 1999, Juškaitis & Büchner 2010), jedoch ist das Gebiet nicht durchgehend besiedelt. Durch Deutschland läuft eine Verbreitungsgrenze: die Haselmaus fehlt im westlichsten sowie überwiegend im östlichen Teil des norddeutschen Tieflands.

Jentzsch (2004) fasste den Kenntnisstand zur Verbreitung in Sachsen-Anhalt bis Anfang des 21. Jh. zusammen. Ab dem Jahr 2004 wurden bekannte Vorkommen der Haselmaus sowie grundsätzlich geeignete Gebiete im Auftrag des Landesamtes für Umweltschutz in mehreren Teilschritten landesweit systematisch kontrolliert (Neumann & Lehmann 2007, Lehmann 2008, Myotis 2009, 2010, Büchner & Lang 2019), so dass der Kenntnisstand zur Verbreitung gegenwärtig als gut einzuschätzen ist. Es bestehen jedoch weiterhin lokale Kenntnisdefizite, die nur durch intensive Geländeerfassungen zu beheben sind.

In Sachsen-Anhalt ist die Haselmaus weitgehend auf den Harz sowie das Hügelland im Süden des Landes beschränkt. Einzelne historisch für das 19. Jh. benannte Vorposten der Verbreitung sind spätestens seit dem 20. Jh. als lokal ausgestorben oder verschollen. So kann die Haselmaus bei Halle (S.) als regional ausgestorben gelten, hingegen ist die Situation für einige isolierte Waldareale im Nordharzvorland (Huy, Fallstein, Hohes Holz, Hakel), aus denen auch historisch kaum Daten vorliegen, noch nicht abschließend geklärt.

Abgesehen vom unsicheren Kenntnisstand Nordharzvorland blieb die Verbreitungssituation in den letzten Jahrzehnten insgesamt stabil, so dass die Gefährdung in der aktuellen Roten Liste (Trost et al. 2020) mit 3 (gefährdet) eingestuft wurde. Die Bestandsgrößen unterliegen jedoch offenbar deutlichen Schwankungen.

Erfassung des Verbreitungsgebietes

Maßgeblich für die Bewertung des Verbreitungsgebietes im Rahmen der FFH-Berichtspflichten sind die Funddaten der Haselmaus aus den letzten zwei Berichtspflichten (12 Jahre). Die Erfassung der Funddaten erfolgt zunächst als passives Monitoring durch kontinuierliche zentrale Sammlung aller verfügbaren Beobachtungen am LAU. Sofern Funde außerhalb des aktuellen Verbreitungsgebietes oder an ungewöhnlichen Standorten erfolgen, wird ihre Plausibilität eingehender geprüft, was ggf. die Sichtung von Belegen bzw. Fotos und Prüfung der genaueren Fundumstände einschließt.

Erfahrungsgemäß lässt sich aber nicht das gesamte Verbreitungsgebiet durch passive Nachweissammlung abdecken. Daher sind in mehrjährigem Abstand in Bereichen mit ungenügendem Kenntnisstand gezielte Erhebungen im Gelände erforderlich. Hierbei können alle geeigneten Nachweismethoden zum Einsatz kommen:

  • Suche nach freihängenden Nestern
  • Kontrolle von Nistkästen, Nesttubes
  • Spurtunnel
  • Haarhaftröhren
  • Fotofalleneinsatz
  • Sichtungen
  • Gewöllauswertung

Insbesondere die gezielte Nestsuche im Gelände erfordert umfangreiche, i.d.R. mehrjährige Erfahrungen. Die Erfassungen erfolgen mit dem Ziel, die Präsenz der Haselmaus in den EEA-Rasterfeldern des bekannten Verbreitungsgebietes und ggf. darüber hinaus zu ermitteln. Ein Rasterfeld gilt als belegt, wenn aus dem 12-jährigen Bezugszeitraum ein gesicherter Nachweis vorliegt.

Monitoring von Population, Habitatqualität und Beeinträchtigungen

Bezugsraum

In der Kontinentalen Region wird bundesweit ein Stichprobenansatz verfolgt. In der Atlantischen Region – für Sachsen-Anhalt im Nordharzvorland – ist ein Totalzensus vorgegeben. Letzten Endes sind beide Ansätze nur durch Stichprobenflächen umsetzbar.

Das Vorgehen des Stichprobenmonitorings entspricht weitestgehend der Vorgabe in BfN & BLAK (2017). Als Monitoringgebiete fachlich geeignet sind nach den Untersuchungen von Juškaitis & Büchner (2010) Reviere von mind. 50 Nistkästen mit einem Abstand von ca. 50 m zwischen den einzelnen Kästen. Damit gelingt eine adäquate Schätzung der Siedlungsdichte, ohne dass zugleich durch die künstliche Schaffung eines überhöhten Nistplatzangebotes das Ergebnis verfälscht würde.

Monitoringgebiete sind als Kastenreviere mit jeweils 60 Haselmauskästen in Wald bzw. Gebüschbereichen eingerichtet; eine Gebietsgröße von ca. 10 ha gilt als Richtwert. Die Kästen sind im Gebiet nach Möglichkeit flächig verteilt, wobei ggf. Abweichungen aufgrund Gelände- und Gehölzstrukturen notwendig sind. Die Zahl der Kästen berücksichtigt jährliche Ausfälle und soll 50 nicht unterschreiten.

Erfassung Population

Durch die Erfassung werden quantitativ aussagefähige Daten zur Siedlungsdichte als Maß für den Populationsparameter im betreffenden Monitoringgebiet angestrebt.

Zur Anwendung in Sachsen-Anhalt kommen landesweit einheitlich speziell für die Haselmaus konzipierte Kästen mit Öffnung auf der Stammseite, um die Besiedlung durch Nistplatzkonkurrenten zu vermindern. Analoge Kästen werden in mehreren Bundesländern verwendet, sodass eine länderübergreifende Vergleichbarkeit gewährleistet ist.

Die Bestandskontrollen werden Ende September durchgeführt, wenn sich die Bestandsdichten auf einem frühherbstlichen Maximum befinden. BfN & BLAK (2017) geben für das Bundesmonitoring eine zusätzliche Kontrolle im Juni vor. Diese ist hilfreich zur Instandhaltung der Kastenreviere und ermöglicht eine zuverlässigere Einschätzung des Alters von Nestern. Sie ist für das Gesamtergebnis aber meist weniger relevant, da der Herbstbestand i.d.R. höher ist.

Bei den Kontrollen werden als Mindestanforderung zur Anwendung des Bewertungsschemas die Individuenzahlen für die einzelnen Kästen erhoben. Es empfiehlt sich jedoch, weitere biologisch/ökologisch relevante Parameter der Einzeltiere zu erheben (Geschlecht, Masse, Altersschätzung, Reproduktionsmerkmale). Des Weiteren sind für jeden Kasten weitere Anwesenheitsmerkmale wie Fraßreste und Nester zu erfassen. Haselmausnester – auch unbesetzte – sind hinsichtlich des Nesttyps und Nestalters (diesjährig oder älter) einzuschätzen. Weiterhin ist die Belegung mit Vogelnestern, anderen Kleinsäugern sowie sozialen Insekten zu erfassen und zu dokumentieren. Insbesondere das Auftreten von Siebenschläfern ist zu erfassen.

Es werden alle Kästen kontrolliert und die Ergebnisse zur Individuenzahl und ggf. Nestzahl auf 50 Kästen umgerechnet. Sofern zwei Kontrollen durchgeführt wurden, wird als Jahreswert die Kontrolle mit der höheren Individuenzahl/Bestandsdichte herangezogen – in aller Regel ist dies die Spätsommer-/Herbstkontrolle. Aufsummierung von Individuen aus unterschiedlichen Kontrollen, wie in BfN & BLAK (2017) vorgeschlagen, ist überwiegend nicht umsetzbar, da meist die individuelle Kenntlichkeit nicht gegeben ist.

Im Bewertungsschema sind primär die Individuenzahlen als Kriterium vorgesehen. Die Ableitung einer Individuenzahl aus vorgefundenen Fraßresten bzw. unbesetzten Nestern ist unsicher und kann nur eine Mindestbewertung begründen. Die weiteren erhobenen Werte liefern ökologische Hintergrunddaten für weiterführende Auswertungen oder Expertenvoten.

Im Zuge der Kontrollen finden auch Reinigungs- und ggf. Reparaturarbeiten bzw. Ersatz von Kästen statt.

Erfassung Habitatqualität und Beeinträchtigungen

Die Erfassung der Habitatqualität und Beeinträchtigungen erfolgt stichprobenhaft auf ca. 10 % des Monitoringgebietes. Während ursprünglich Deckungswerte der relevanten Gehölzstrukturen um jeden einzelnen Kastenstandort erhoben wurden (Büchner et al. 2014), sind nunmehr festgelegte Transekte mit einer Länge von ca. 500 m innerhalb des Monitoringgebietes zu bearbeiten (BfN & BLAK 2017).

Die Schätzungen der Parameter nach Bewertungsschema (Deckungsgrad fruktifizierender Bäume und Sträucher, Höhlenbäume bzw. Bäume mit Quartierpotenzial) erfolgen entlang des Transektes in einer Tiefe von ca. 10 m beiderseits (pragmatische Festlegung, Sichtweite im Bestand); damit werden ca. 10 % des Monitoringgebietes abgedeckt. Die Schätzungen erfordern Erfahrungen – eine Abstimmung zwischen unterschiedlichen Bearbeitern zur gegenseitigen „Eichung“ sowie personelle Kontinuität sind hilfreich.

Das Kriterium „Größe unzerschnittener Waldgebiete und angrenzender Gehölzstrukturen“ geht über die Grenzen des eigentlichen Monitoringgebietes hinaus und ist in Heckenlandschaften nicht anwendbar (BfN & BLAK 2017) – in Sachsen-Anhalt gilt das für das Monitoringgbiet „Kreuztal bei Hüttenrode“.

Die Aussagen zu Beeinträchtigungen erfolgen als Expertenvotum auf Basis von Geländekenntnis, Luftbildern etc.

Bewertung des Erhaltungszustandes

Die Bewertung des Erhaltungszustandes der Haselmaus auf Landesebene erfolgt nach Maßgabe des „Ampel-Schemas“ der EU (DocHab 2004). Hierfür liefert die Bewertung des Erhaltungszustandes für die Monitoringgebiete anhand des Bewertungsschemas gemäß BfN & BLAK (2017) fachliche Grundlagen (s.u.).

Analysen der längerfristigen Populationsentwicklung bzw. Habitatsituation, insbesondere für Trendangaben und zur Interpretation ökologischer Zusammenhänge, die über den räumlichen und zeitlichen Bezug des turnusmäßigen Stichprobenmonitorings hinausweisen und ggf. zusätzliche Daten einbeziehen können weitere Bewertungsgrundlagen liefern (z.B. Dörfler 2021).

Tab. 1: Kriterien zur Bewertung des Erhaltungszustandes der Haselmaus Muscardinus avellanarius – Bewertungsschema Bundesmonitoring (BfN & BLAK 2017)

Haselmaus – Muscardinus avellanarius
Kriterien / WertstufeABC
Zustand der Populationhervorragendgutmittel bis schlecht
Bestandsgröße/Abundanz: Anzahl Individuen pro 50 Kästen (Beleg über Individuen, Fraßreste und Nester)≥ 10 Individuen≥ 4 bis < 10 Individuen< 4 Individuen
Habitatqualitäthervorragendgutmittel bis schlecht
Größe unzerschnittener Waldgebiete und angrenzender Gehölzstrukturen *≥ 40 ha≥ 20 bis < 40 ha< 20 ha
Deckungsgrad fruktifizierender Bäume≥ 50 %≥ 25 bis < 50 %< 25 %
Deckungsgrad fruktifizierender Sträucher≥ 50 %≥ 25 bis < 50 %< 25 %
Mittlere Anzahl an Höhlenbäumen bzw. Bäumen mit Quartierpotenzial/100 m- Transektlänge≥ 5 Bäume≥ 3 bis < 5 Bäume< 3 Bäume
Beeinträchtigungenkeine bis geringmittelstark
Zerstörung strukturreicher Waldränder, Hecken und der Strauchschicht (Art und Umfang beschreiben; Bewertung als Expertenvotum mit Begründung)Keine BeeinträchtigungUnerhebliche Beeinträchtigung (auf < 5 % der Fläche)Erhebliche Beeinträchtigung (auf ≥ 5 % der Fläche)
Zersiedelung/ Zerschneidung der Lebensräume( z. B. durch Erweiterung von Siedlungsflächen, Straßen- und Waldwege (Art und Umfang beschreiben; Expertenvotum mit Begründung)Keine BeeinträchtigungUnerhebliche Beeinträchtigung (nur randlich)Erhebliche Beeinträchtigung (nicht nur in Randbereichen)
Weitere Beeinträchtigungen für Muscardinus avellanarius (Expertenvotum mit Begründung)KeineMittlere bis geringeStarke
* – Das Merkmal „Größe unzerschnittener Waldgebiete und angrenzender Gehölzstrukturen“ ist in Haselmaus-Vorkommen in Heckenlandschaften nicht bewertbar.